Zwischen Tradition und Wandel. Evangelische Frauenklöster und -stifte in Niedersachsen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Leitung: | Prof. Dr. Detlef Schmiechen-Ackermann |
Team: | Christiane Schröder |
Jahr: | 2018 |
Förderung: | Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Klosterkammer Hannover |
Laufzeit: | 2018 - 2023 |
Anknüpfend an das Dissertationsprojekt über die evangelischen Frauenklöster und ihre Konvente im Nationalsozialismus, wird deren Geschichte in diesem Nachfolgeprojekt weiter fortgeschrieben. Dabei wird die Untersuchung über die fünf Calenberger Klöster Barsinghausen, Mariensee, Marienwerder, Wennigsen und Wülfinghausen sowie die sechs Lüneburger Klöster Ebstorf, Isenhagen, Lüne, Medingen, Walsrode und Wienhausen hinaus auf die vier freiweltlichen Damenstifte Bassum, Börstel, Fischbeck und Obernkirchen ausgedehnt; letztere stehen seit den späten 1940er-Jahren ebenfalls unter der Rechtsaufsicht der Klosterkammer Hannover.
Die jahrhundertelange Existenz der seit der Gründung im Mittelalter ununterbrochen von Frauengemeinschaften getragenen Klöster und Stifte verweist darauf, dass ihnen eine große Beharrungskraft wie Wandlungsfähigkeit zugleich innewohnt. Beides war insbesondere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vonnöten: In den 1950er-Jahren zeichnete sich in allen Klöstern und Stiften ab, dass sie ihre Attraktivität als Lebensort für alleinstehende ältere Frauen zu verlieren begannen. So schien es in der Klosterkammer um 1960 nicht ausgeschlossen, dass die schrumpfenden Klosterkonvente in einigen Häusern zusammengezogen und die frei gewordenen Häuser aufgegeben werden müssten. Tatsächlich wurde kein Kloster aufgehoben. Vielmehr stellen sich die Klöster und Stifte heute als attraktive, nach außen geöffnete „Begegnungsorte“ dar, die mit ihren eindrucksvollen Gebäuden, ihren reichen Kunstschätzen und einer Bandbreite unterschiedlichster Angebote und Aktivitäten jährlich viele Tausend Besucher*innen anziehen. Das Projekt untersucht vor dem Hintergrund des vielschichtigen und rasanten sozialen und kulturellen Wandels, der sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vollzog, in synchroner wie diachroner Hinsicht den Weg von der Nachwuchs- und Sinnkrise in den 1950er-Jahren zur Entwicklung und Umsetzung neuer, heute gelebter Konzepte für Konvente und Kapitel.
Im Mittelpunkt der auf hermeneutischer Quellenanalyse und Expert*inneninterviews basierenden Studie werden u. a. Eintrittsmotive und Entfaltungsmöglichkeiten von Konventualinnen und Kapitularinnen, Wertvorstellungen der Konvente und Kapitel sowie gesellschaftliche, soziale und kulturelle Funktionen der Klöster und Stifte untersucht. Ein Schwerpunkt liegt auf den Wandlungsprozessen im Untersuchungszeitraum. Hier interessiert insbesondere, welche Akteur*innen über die Frauengemeinschaften hinaus in diese Prozesse involviert waren, welche Abhängigkeiten, Kooperationen, Potenziale und/oder Konflikte sich daraus ergaben und wie Tradition und Wandel ausbalanciert wurden. In diesen nachzuzeichnenden Diskussions-, Aushandlungs- und Gestaltungsprozessen spielten die Äbtissinnen eine zentrale Rolle. So liegt ein weiterer Akzent auf der Frage, welche Voraussetzungen sie mitbringen mussten, um nach innen wie nach außen sowohl integrativ als auch durchsetzungsfähig wirken zu können. Welche Gestaltungsräume hatten und schufen sie sich, welche Hindernisse hatten sie zu überwinden? Auf welche Kooperationen und Allianzen konnten sie bauen, um zukunftsorientierte Impulse für den Erhalt und die Weiterentwicklung von Kapiteln und Konventen zu setzen?